Marokko

Von Marrakesch ins Atlas Gebirge

Da wir unsere 5-Tage-Reise nicht nur in der Stadt verbringen, sondern auch Land und Leute kennenlernen wollten, war unser Wunsch, das nahe Atlas Gebirge aufzusuchen. Unser Riad hatte uns daher einen Ganztagesausflug mit einem privaten Fahrer organisiert. Achmed holte uns vormittags vom Riad ab, zumindest am Stadttor Bab Doukkala, an dem Autos noch halten durften.

Achmed würde mit uns eine Tour von Marrakesch aus ins etwa 45 Minuten entfernte Gebirge unternehmen, uns einige Bergdörfer zeigen, dort würden wir auch zu Mittag essen und eventuell noch die ein oder andere kurze Wanderung unternehmen.

Achmed war ein lustiger Typ, der ziemlich gut deutsch sprechen konnte, weil er einige Jahre in Deutschland studiert hat. Er hatte mal große Pläne in Deutschland, hat aber jetzt seine Berufung als Touristenguide in seiner Heimat Marrakesch gefunden und lebt hier zufrieden mit seiner Familie. Wir haben einen richtigen guten Tag mit ihm, denn er ist ein aufmerksamer und sehr freundlicher Guide.

Er erklärt uns wie bitterarm das Volk in den Bergen ist, das wir antreffen werden und wir sehen, wie liebevoll er die Kinder dort behandelt, die sich immer wieder ums Auto drängeln, kleine Armbänder anbieten und dringend das Geld dafür benötigen. Er steckt ihnen immer wieder etwas zu, obwohl er selbst eine neue Brille mit einem zweiten Bügel benötigen würde. Wie gut, dass wir auch immer etwas Kleingeld in der Hosentasche stecken haben. Das können wir grundsätzlich in Marrakesch empfehlen, denn für jede kleine Dienstleistung, für jedes Foto, auf dem eine Person abgelichtet wird, wird ein „Honorar“ erwartet, zumindest mal 10 Dirham (etwa 1 EUR).

Müllsorgen und Müll entsorgen

Als wir die Stadtgrenzen von Marrakesch hinter uns gelassen hatten, wurde es erstmal sehr karg, nur wenig bebaut, wenn dann gab es vielfach unfertige Gebäude und vor allem: viel viel Müll. Müll am Wegesrand, Müll auf den Feldern, Müll neben den Häusern, überall wo man hinsah: Müll. Dafür, dass bereits vor einigen Jahren der weltweite Summit zum Thema Nachhaltigkeit in Marrakesch stattfand und im Flughafen bis heute meterhohe Banner dazu hängen, ist das Thema Vermüllung als Teil einer weltweiten Nachhaltigkeitsstrategie außerhalb der Stadt nicht wirklich angekommen.

Und das Thema Müll zog sich die gesamte Gebirgsstrecke hinauf – und wieder hinunter. Schade, dass ausgerechnet das einer der prägendsten Eindrücke dieses Ausflugs war.

Das Berbervolk in den Bergen lebt großenteils vom Tourismus, das wurde schnell klar, denn die engen gewundenen Straßen waren flankiert von Ständen, die Keramik, vor allem Tajinen, Vasen und Wandteller anboten. Dazu viele Teppiche, die in der staubigen Luft hingen. Die gesamte Erde hier im Atlas Gebirge besteht aus einem satten Rotton, der sich in alles festsetzt, das mussten wir bereits an Hosen und Schuhen nach unserem ersten Fotostopp feststellen. Es war eine kleine geschotterte Ausbuchtung mit einem fantastischen Blick durch ein Tal und auf die Berglandschaft bis zu einigen verschneiten Gipfeln. Das war so unwirklich, denn wir standen hier bei 35 Grad zwischen einigen dürren Dromedaren und lethargischen Eseln mit zerschlissenen Sätteln in der Hitze. Die Viecher warteten zusammen mit einigen alten Männern und kleinen Jungs auf Kundschaft, die auf den Dromedaren ausreiten möchte.

Das Berberhaus

Unser erster offizieller Stopp war an einem alten Berberhaus aus dicken Lehmwänden, das wir besichtigen konnten. Uns wurden die Räume erklärt, in denen gearbeitet, gebetet, gelebt und gekocht wurde. Dazu hatten die alten Berber sogar eine Mini-Sauna, die sie einmal pro Woche für ein Reinigungsritual nutzten.

Und natürlich gab es einen kleinen Souvenir-Shop, in dem es alles gab, was das marokkanische Kunsthandwerk so hergibt, von Schmuck, über Keramik, Dromedare aus Stein, Holz und blinkend, Tajinen in allen Varianten und jede Menge Teekannen für den obligatorischen Pfefferminztee.

Eine andere Touristin stieß einen spitzen Schrei aus, weil sie im Garten des Berberhauses über eine kleine 10 cm lange Schlange gestolpert war. Ich dachte amüsiert, dass die Lady besser keinen Urlaub in Australien planen sollte.

Der Teppichhändler des Vertrauens

Nun hatte ich das dringende Bedürfnis einen Toiletten-Stopp einzulegen und ich fragte Achmed, ob das möglich sei. Er sagte, ja klar, in 5 Minuten und ich war gleichermaßen begeistert wie erstaunt, was er da im Sinn hatte, denn eine öffentliche Toilette konnte ich mir hier beim besten Willen nicht vorstellen.

Aber – ganz marokkanischer Style – man kennt sich hier schließlich und der nächste Teppichhändler 5 Minuten später im nächsten Bergdorf war ein Freund von Achmed. Und so durften wir ohne weiteres beim Teppichhändler hinten im Haus die Toiletten benutzen.

Frauenkooperative Arganöl

Wir fuhren weiter zu einer Kooperative von Frauen, die Arganöl produzierten und daraus verschiedene Kosmetik und auch Speiseöl herstellten. Die Frauen, erklärte uns Achmed, waren sonst sehr abhängig von ihren Männern, und konnten nichts zum Lebensunterhalt beitragen. Dazu kam diese immense Armut und so wurde die Kooperative gegründet, um die Selbstständigkeit und den Verdienst von Frauen zu fördern. Die Damen saßen auf einem Absatz und stellten auf mühsame, aber traditionelle Weise mit einer Steinmühle Arganöl her. Das beginnt mit einer sehr hartschaligen Nuss des Arganbaums, die gebrochen werden muss, darin ist nochmal eine Frucht enthalten, in der ein Samenplättchen versteckt ist und dieses wird per Hand gemahlen, um Öl zu erhalten. Die ungerösteten Samen führen zu Öl für die Kosmetik, die gerösteten Samen werden zu einem leckeren Speiseöl verarbeitet.

Noch etwas unnützes Wissen: für 1 Liter Arganöl braucht es 30 Kilogramm dieser Nüsse und das bedeutet eine Ernte von 4 oder 5 Arganbäumen.

Für 1 Liter Arganöl sitzt eine Dame dann einen ganzen Tag am Mühlstein und mahlt die zuvor herausgeklaubten Samen.

Daher ist das alles auch nicht billig, selbst für marokkanische Verhältnisse, aber es hat eine sehr gute Qualität und wir möchten die Damen unterstützen und kaufen daher dann doch die Anti-Faltencreme und das Speiseöl, denn das findet ohne weiteres noch einen Platz im Koffer.

Erdbeben 2023

Wir nähern uns den höher gelegenen Bergdörfern und ich frage Achmed nach den Auswirkungen des verheerenden Erdbebens im letzten Sommer, das auch bei uns tagelang durch die Nachrichten ging. Gerade die Bergdörfer sollen massiv betroffen gewesen, tagelang von der Welt abgeschnitten und einige komplett zerstört worden sein. Hier sieht es so ähnlich aus, mein Eindruck ist, dass vieles zerstört und noch nicht wieder aufgebaut wurde, viele eingebrochene Hauswände, viele Baustellen, um die Felswände zu bearbeiten und zu sichern, viel roter Schlamm, provisorische wackelige Bretterbrücken über den Fluss, in den Häusern tiefe Risse und abgebrochene Bauteile.

Aber zu meinem Entsetzen sagt Achmed, dass die Auswirkungen hier nicht zu spüren gewesen waren, sondern 80 km weiter nördlich im Gebirge. Hier hätten die Leute Glück gehabt. Das bedeutet, es sieht hier immer so aus… als hätte es ein Erdbeben gegeben. Provisorisch, eingefallen, einfach arm. Ich bin betroffen, von dem was ich grade sehe.

Aber gerade deshalb benötigt Marokko hier das Geld aus dem Tourismus, es ist ein paradoxes Leben, anders kann ich das nicht beschreiben, was mich gerade bewegt.

Picknick am Fluss

Es wird nun Zeit zum späten Mittagessen. Wir fahren bereits länger schon an einem felsigen Flussbett entlang, in dem mal ein dünnes Rinnsal, mal etwas mehr Wasser über die Steine schießt. Immer wieder sehen wir Restaurants am anderen Flussufer mit bunten Sitzgelegenheiten direkt am Fluss. Achmed erklärt, dass viele Familien aus Marrakesch am Wochenende hierherkommen, um mit der gesamten Familie zu picknicken. Es gibt Areale, in denen können sie sich Essen mitbringen und verzehren, aber auch welche, in denen werden sie von den lokalen Restaurants versorgt.

In so einem Restaurant sind wir nun zum Mittagessen angekündigt. Wir haben die Wahl zwischen bunten Sitz-Puffs und bunten Plastikstühlen, abgeschirmt von der Sonne unter einer großen Zeltplane. Über den Fluss führt wieder eine dieser wackeligen Bretterbrücken zum Haupthaus des Restaurants.

Wir bekommen eine leckere Gemüsesuppe und eine hervorragende Tajine und Hähnchenspieße serviert. Es weht ein leichter Wind und unter der Zeltplane sitzen wir geschützt vor der Sonne. Es ist ein sonderbarer Platz, aber irgendwie schön und entspannt.

Wir lassen die Wanderung zu den Wasserfällen aufgrund meiner Kniebeschwerden aus, was Achmed sehr schade findet und wir nach ca. 25 Wasserfällen in Neuseeland im letzten Jahr entspannt sehen.

Dann fährt uns Achmed wieder durchs Gebirge hinunter Richtung Marrakesch. Es ist eine anstrengende, unebene Strecke mit vielen Löchern, engen Biegungen und wir sind froh, als wir unten angelangt endlich wieder auf einer normalen Straße im Licht des frühen Abends nach Marrakesch kommen.

Bauchtanz im Azar

Abends sind wir eingebucht im Restaurant Azar, außerhalb der Medina, im neueren Marrakesch. Das Restaurant ist sehr modern, stylisch, abgedunkelt und wir waren gespannt auf den Abend mit Live Event, denn das Azar ist bekannt für seine Bauchtanz-Darbietungen. Wir können aus einer hervorragenden Menükarte wählen, dazu bietet das Azar gute Cocktails von einem kleinen Cocktail-Wagen, der zwischen den Reihen herumfährt und an dem ein Barkeeper mit einer kleinen Show Drinks mixt. Die Weinpreise haben es in sich und so entscheide ich mich heute für einen marokkanischen Aperol-Sprizz, der zusätzlich eine Zimtstange enthält – die ich gleich wieder rausfische, denn der Zimt gewinnt geschmacklich zu sehr die Oberhand in diesem Sprizz.

Bei einer Multivitamin-Hawaii-Shisha können wir dann auch die Bauchtanztruppe bestaunen und werden natürlich wieder von den Damen in Ihre Darbietung mit eingebunden. Zum Glück bleibt es uns heute aber erspart, mittanzen zu müssen. Das überlassen wir den anderen Hüftsteifen. 😉 

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