Australien

Grampians National Park

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Nach vier Tagen Great Ocean Road und einer sehr schönen Unterkunft in Port Campbell fuhren wir beschwingt los auf die nächste Etappe unseres Road Trips. Es sollte in die Grampians gehen, eine Bergkette nordwestlich der Great Ocean Road. Der Dreh- und Angelpunkt in den Grampians ist ein Städtchen mittendrin namens Halls Gap, das hatten wir bereits vorher so oft gehört, dass wir uns wunderten, dass unsere Unterkunft nicht dort war, sondern anscheinend ein Ort weiter über den Hügel in Wartook. Aber vielleicht war ja schon vieles ausgebucht oder wir hatten eine besondere Unterkunft.

Die Fahrt war nicht allzu weit und verlief über viele Kilometer schnurgeradeaus durch die weite Landschaft. Nach rund 1,5 Stunden erblickten wir in der Ferne bereits die ikonischen Berggipfel der Grampians und näherten uns der Bergkette von Süden.

Auch hier wurden wir wieder durch Schilder aufgefordert, auf Wildtiere achtzugeben, insbesondere auf Kängurus. Wir fuhren durch dichten Eukalyptuswald und da sollten eigentlich auch Koalas auf den Bäumen zu finden sein. Aber weder die einen noch die anderen ließen sich blicken. Wir fuhren immer weiter in die Bergkette hinein und gelangten schließlich an das Ortsschild von Halls Gap.

Es war immer noch sehr eng bewaldet, von einem Ortskern keine Spur und dazwischen wurde es immer dichter an Campingplätzen, Lodges, kleine Motels, Cottages und wieder Campingplätze. Viele Fahrradfahrer waren auf einer Parallelspur durch den Wald unterwegs. Schließlich rief ich Dirk die erlösende Parole zu: „Känguruuuuuuu!!!“ 🙂

Rechts auf einer Weide hatte ich sie entdeckt. Eine ganze Herde am Grasen. Wir parkten schnell das Auto am Straßenrand, schnappten die Kamera und pirschten uns an. Dann standen wir vor dem Weidezaun und ich merkte, wie es bei mir ratterte: Warum waren die Kängurus auf einer Weide und hinten gleich noch ein paar Emus? Wurden die hier etwa wie im Wildpark gehalten? Warum ist ein einzelnes Känguru auf einer Weide und der Rest der Herde nebendran? Ich dachte, die wären hier alle wild und könnten überall rumhüpfen.

Ja, dann löste sich das Rätsel, als eines der Kängurus anfing zu hüpfen und dann so elegant und leicht über den Zaun sprang, dass mir klar wurde, dass so ein Zaun für ein Känguru keine Begrenzung darstellt. Eher für andere Tiere, Schafe vielleicht. War also eher die Frage, wen der Zaun mehr schützte… Wohl eher die Kängurus vor uns als andersherum. 😉

Wir schossen also unsere ersten Känguru Fotos, aber die Tiere waren schon noch 30 Meter entfernt.

Einigermaßen zufrieden stiegen wir in unser Vehikel und fuhren weiter.

Und siehe da, Halls Gap hatte auch ein Stadtzentrum und sogar ein ganz nettes mit Restaurants, Brauerei, Geschäften und Parkanlagen. Dies ging über in normale Wohnhäuser mit Vorgarten, einer Polizeistation und hinten am Sportplatz ging es dann links ab Richtung Wartook. 30 Kilometer in einer halben Stunde, also waren wohl ein paar Serpentinen zu bewältigen.

Wir bogen ab und konnten kaum glauben, was wir auf dem Sportplatz sahen: ca. 25 Kängurus, am Grasen, umringt von Touristen, einige keine 2 Meter von den Tieren entfernt und am anderen Ende waren einige Kids Bälle am Werfen.

Wir hielten an und näherten uns den Tieren. Wir hatten deutlichen Respekt, denn es sind Wildtiere, das muss man sich immer wieder vor Augen halten. Nachdem viele Touris den Sportplatz schon verlassen hatten, trauten wir uns langsam und mit Ruhe näher an die Tiere ran. Für mich ist immer ein Zeichen, ob sie ruhig weitergrasen oder sich aufrichten und prüfen, was um sie herum passiert oder ob sie sogar weghüpfen.

Die Kängurus auf dem Sportplatz waren wohl sehr vertraut mit Menschen und ließen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Wir kamen bis auf 2 Meter langsam an sie ran und konnten uns davor hocken, ruhig beobachten und wunderschöne Nahaufnahmen machen. Dirk und ich strahlten uns über beide Ohren an. 🙂

Wir stiegen ins Auto und wollten rausfahren aus Halls Gap, als uns vor der Polizeistation ein riesiges Känguru auf dem Gehweg überraschte, das schnell neben unserem Auto vorbeihüpfte. Dirk bremste scharf und der riesige Kerl hüpfte in riesigen Sätzen vor uns über die Straße und in den nächsten Vorgarten. Das waren skurrile Bilder, aber wir hatten die Kamera ja griffbereit und konnten das sogar schnell aufnehmen. Wir waren baff! Was für Wildlife Begegnungen mitten im Ort. Damit hatten wir nicht gerechnet. Und wie groß die Tiere waren, einige konnten mir ohne weiteres in die Augen sehen, andere waren noch größer, geschätzt 1,80 m Körpergröße, wenn sie sich aufrichteten.

Das war dann auch unser Thema im Auto als wir weiterfuhren nach Wartook.

Als die Serpentinen immer enger wurden, musste ich mich jedoch sehr konzentrieren, denn unser breites Ungetüm passte grade noch auf die Straße und manch entgegenkommendem Bus oder SUV war das ziemlich egal. Mehr als einmal musste ich bei Gegenverkehr in die Eisen steigen, leicht offroad Platz machen und um den rechten Außenspiegel bangen.

Kurz vor Wartook kam noch mitten im Wald ein Parkplatz, an dem Wanderwege starteten und wir gingen wieder in die Eisen: wegen Kängurus, Emus und Rehen gleichzeitig. Was ein Tag!

Am Eingang zu Wartook sollte direkt links unsere Unterkunft auf einem Hügel liegen. Wenn wir das richtig verstanden hatten, handelte es sich diesmal um ein komplettes Haus von privat vermietet. Links war auch tatsächlich das Tor offen zum Anwesen „Kangaroos in the Top Paddock“. Wir fuhren hinein und waren überwältigt. Die Auffahrt zum Haus verlief über sandigen Schotter durch parkähnliches Gelände mit einigen Bäumen und hügeligen Wiesen nach oben zu einer Zufahrt zum Haus, die dann in den hiesigen tiefroten sandigen Schotter überging.

Am Ende stand eine Art Finca mit Türmchen, Terrasse und Weinranken, die über dem Park thronte und den Blick freigab bis zur nächsten Grampians Gebirgskette. Im Park graste links eine Herde Kängurus und auf der anderen Seite eine weitere Herde. Sie stellten sich auf als wir ankamen, beobachteten uns genau und das ein oder andere Känguru sprintete davon.

Wir lasen in unserer Reisebeschreibung nach, dass zu diesem Anwesen 9 Hektar unberührtes Buschland gehören. Es dämmerte bereits und das verlieh dem Ganzen eine Atmosphäre, die ich kaum beschreiben kann. Schrille, unbekannte Vogelgeräusche in den riesigen Bäumen, rot-bunte Papageien, die sich um die Granatäpfel in den Bäumen neben der Zufahrt stritten, grasende Känguru-Herden, im Hintergrund die Berge, über denen grade die Sonne unterging und die gesamte Landschaft in ein weiches Licht tauchten. Unten stakste ein Emu über die Wiese und wir empfanden eine Ruhe zusammen mit einer Weite, die wir so noch nie erlebt hatten. Das Bild wird mir immer in Erinnerung bleiben. Wir luden schnell aus, schnappten uns ein Glas Rotwein und beobachteten still im Sonnenuntergang diese faszinierende Umgebung und Natur.

Wenn das Haus von außen aussah wie eine Finca, dann war es von innen eine Mischung aus Fachwerkhaus, Burg und Loft und teilweise im 70er Jahre-Stil ausgestattet. Mit Charme, gerade was den großen Hauptraum mit Küche und Kamin betraf, einem langen Esstisch, sehr hohen Decken mit einer Art Fachwerk, aber burgähnliche dunkle alte Holztüren mit dickem Schaft für antike Burgschlüssel. Daneben ein Schlafzimmer, in dem ein Gespensterbild an der Wand hing, das mir eher unheimlich war und an der anderen Seite eine Infrarotheizung, über dem Bett ein Kreuz. Was ein Kontrast! Daneben ein Bad mit einer Dusche in leuchtenden Blau und Grüntönen und einem dunkelbraunen Holzfenster mit alten Butzenscheiben.

Obwohl insgesamt viele Fenster eingebaut waren, war mein Eindruck innen doch der einer dunklen Burg.

Also brachte Dirk wieder schnell das Feuer im Kamin zum Lodern und so wurde es gleich deutlich gemütlicher.

Die Küche war hervorragend ausgestattet und so konnten wir auch wieder kochen. Ich checkte, ob in Wartook wenigstens ein kleiner Supermarkt war und stutzte als ich den Ort in Google Maps im Detail durchforstete: Es gab eigentlich gar keinen Ort, es gab einige verstreute Anwesen an dieser Straße, aber keinen Ortskern und nichts zum Einkaufen. Der nächste Laden war…. in Halls Gap. Aber dort hatten wir versäumt einzukaufen und für heute war es zu spät, um nochmal die 30 Kilometer Serpentinen zurückzufahren durch den dunklen Wald.

Zum Glück hatten wir einige Vorräte mit, so dass wir nicht verhungerten, aber wir mussten unsere Planung für den nächsten Tag komplett umstellen, denn wir hatten auch nur noch eine Flasche Wasser.

Etwa ab 19 Uhr begann dann ein seltsames Phänomen in unserem `Fachwerkburgfincaloft‘. Wir hatten plötzlich mehrere schwarze Würmer an der Wand neben dem Fenster zum Schlafzimmer rumkrabbeln. Ein Blick in Dr. Google machte die Würmer zu Tausendfüßlern (Millepedes), die an sich ungefährlich waren, aber eben nicht appetitlich. Es hieß, dass sie gerne ins Haus kommen, wenn es draußen kühler und feuchter wird.

Über den Abend verteilt krochen die Viecher auf dem Fußboden, an den Wänden und den Decken entlang. Ich fand es durchaus eklig und Dirk und ich sprangen abwechselnd, um die Viecher mit Küchenkrepp zu schnappen und in der Toilette zu entsorgen. Dirk wäre ein Teil davon noch egal gewesen, aber an meinem Gesichtsausdruck wurde ihm klar, dass es mir nicht so erging. Und so sammelten wir im Laufe des Abends bis zu 30 Tausendfüßler ein! Der Anteil der Tausendfüßler, die ihren Weg zu uns ins Schlafzimmer fanden, war zum Glück nicht so groß, als dass ich nicht hätte schlafen können. Wobei ein kurzer Ausflug mitten in der Nacht dazu führte, dass wir nochmal 5 oder 6 rund ums Bett einsammelten. Am Morgen, als es wärmer wurde, war der Spuk vorbei und wir konnten in Ruhe frühstücken.

Wir verbrachten den Tag an den McKenzie Wasserfällen und auf diversen kleinen Rundwegen mit Aussicht in die verschiedenen Ecken der Grampions. 

Dann fuhren wir wieder nach Halls Gap zum Einkaufen, Mittagessen und Eis essen mit Kakadus. 🙂 Wir wollten beide nochmal die Kängurus auf dem Sportplatz beobachten und hatten Glück, dass etwa 20 Tiere am Grasen waren und kaum Touristen vor Ort. Wir konnten uns also in aller Ruhe die Tiere anschauen, wieder bis auf 3 Meter rankommen und schöne Nahaufnahmen schießen. Die Tiere strahlten Ruhe aus und wir genossen diese halbe Stunde einfach nur. Das ist für mich eine Errungenschaft meines Sabbaticals: ich habe die Ruhe, einfach mal eine halbe Stunde oder Stunde da zu sitzen und Kängurus oder auch Vögel zu beobachten. Erstaunlich, wie man so runterkommt.

Auf dem Weg zurück ins unser Fachwerkburgfincaloft fragte ich mich schon, wie tierisch wohl dieser Abend verlaufen würde. Tiere draußen, wo sie hingehören, stellen für mich kein Problem dar – in unser Fachwerkburgfincaloft gehörten sie definitiv nicht! Wir hatten auch schon den Kern des Problems ausgemacht: die Türen schlossen vor allem unten nicht richtig ab, die Fenster waren auch schon verzogen und es gab überall einen Spalt zwischen Fenstern und Mauerwerk, auch die Fliegengitter hatten diverse Löcher.

Der Abend verlief erst ruhiger, es kamen weniger Tausendfüßler rein als am Vorabend. Doch dann wurden es mehr und der erste fiel von der Decke auf den Esstisch, der zweite aufs Bett. L Ich war schon wieder angespannt.

Dann wollten wir zu Bett gehen und ich saß noch kurz allein am Esstisch als ich am Boden vor meinen Füßen etwas zucken sah. Ich rückte zurück und stieß einen spitzen Schrei aus: SPINNENALARM und zwar von der Sorte, die man im Haus gar nicht braucht. Sie war bestimmt 8 cm groß, haarig mit dicken Beinen, ein Exemplar, das mir Gänsehaut verursachte. Sie hockte unter den schrägen Beinen des Esstischs und ich sah zu, dass ich erstmal Abstand gewann. Dirk kam herbei und war von meinem Schrei schon gewarnt. Er betrachtete das Vieh und wie Dirk so ist, mein Ehemann betrachtete das Problem gleich lösungsorientiert: töten oder rausbefördern. Mit einem Glas konnte er sie unter der Schräge nicht einfangen, wer weiß wie schnell sie auch war. Also umwickelte er pragmatisch einen festen Pfannenwender mit Küchenkrepp und ging auf sie los. Zum Glück ergab sie sich schnell ihrem Schicksal und Dirk sorgte dafür, dass sie wirklich den Geist aufgab und in der Toilette auf den letzten Weg gebracht wurde.

Ich lief seit einer Viertelstunde mit Dauergänsehaut rum und mir war klar, dass an Schlaf so schnell nicht zu denken war. Zum Glück blieb Dirk ruhig, hatte ausreichend Verständnis und half mir, indem er mit der Taschenlampe noch einige Ecken vor allem im Schlafzimmer ableuchtete und dann freigab.

Leider hatten die Tausendfüßler dann doch nochmal Fahrt aufgenommen (was ein Wortspiel…) und über meinem Kopfende vom Bett tummelten sich einige sehr aktiv an der Decke. Es wurde 2 Uhr nachts, bis auch das Problem gelöst war und wir das Licht ausmachen und ich in einen unruhigen Schlaf fallen konnte.

Am nächsten Morgen waren die Tausendfüßler wieder verschwunden, dafür lag ein kleiner Skorpion frech mitten im Wohnzimmer auf dem Boden und irgendwas mit langen und sehr vielen Beinen hastete durch die Türzarge als ich das erste Mal die Tür zur Terrasse öffnete. Puh!

Jetzt wird der ein oder andere – der noch nie in Australien war – wieder sagen: ich hab’s dir doch gesagt! Darauf muss ich klarstellen, dass dies eben bisher nicht der Standard war, dass hinter jeder Ecke ein mehr oder weniger giftiges Tier gerade und nur auf mich wartet. Normalerweise sind die Unterkünfte in einem Zustand, dass man unerwünschtes Getier aus der Wohnung sehr gut draußen halten kann. Hier war es ein Besuch mit Ansage und ich hoffe, dass unsere nächsten Unterkünfte wieder weniger offene Ritzen nach draußen haben. Aber ich weiß auch, dass ich nicht hier bin, um meine Phobien zu besiegen. 🙂 Wieder einmal bin ich sehr dankbar für meinen ruhigen und pragmatischen Ehemann.

Auch wenn dieses Anwesen aufgrund der Atmosphäre draußen und den Kängurus, Emus, Papageien, den Bergen einmalig war, bin ich an diesem Morgen froh, dass unsere Reise nun weiter geht.

6 Kommentare

  • Renate

    Man, das war bisher das krasseste Erlebnis der Reise. Diese ekligen Tausendfüßler hatte ich im vergangen Jahr bei mir im Keller. Es waren aber nur 2 Stück, die meinen Hausschuh nicht überlebt haben. Habe auch Herrn Google bemüht – sind harmlos aber fieeeessss. Hier zeigt sich, wie gut es bisher war, immer gescheite Unterküfte – nicht nur bei solch einem Abenteuer – gebucht zu haben. Wünsche euch für den weiteren Reise Verlauf wieder „ haustierfreie“ Unterkünfte.
    Morgen gute Weitrreise und neue „Abenteuer“.
    Liebe Grüße Renate
    😍

  • Hanne

    Mir fallen dazu daumengrosse Kakerlaken in Brasilien ein, Geckos und Eidechsen in Tunesien sind die Wände raufgekrabbelt und bezaubernde waldmäuse in Finnland. Die waren wirklich bildschön gemustert. Solange die Biester nicht beissen geht’s noch soeben. Dafür seid ihr im busch mit Kakadus auf Granataepfeln und dicken Kängurus in wunderschöner Landschaft. Traumhaft! Liebe Grüße Hanne 🤣🤗

  • Heike Berndt

    Meine Güte, solche Erlebnisse braucht man wirklich nicht. Gute, dass du deinen Ritter dabei hast.
    Gute Weiterreise, Heike

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